Kreuzbandrisse vermeiden? Prävention ist möglich, aber wie?
Autor des Artikels:
Physiotherapeut Dominik Klaes behandelt Patienten mit Beschwerden & Verletzungen der Kniegelenke oder Knie Operation in seiner Praxis in Heidelberg und deutschlandweit per Videotherapie.
Kreuzbandrisse sind häufige Verletzungen des Kniegelenkes, mit teils langer Erholungsphase. Die Frage, ob man einem Kreuzbandriss vorbeugen kann, wird mir als Physiotherapeut häufig gestellt. Dementsprechend häufig behandele ich als Physiotherapeut Menschen nach einem Kreuzbandriss in meiner Praxis für Physiotherapie in Heidelberg.
Interessanterweise lässt sich das Risiko für einen Kreuzbandriss präventiv senken (Prävention Kreuzbandriss). Da das vielen nicht bekannt ist, habe ich zu diesem Thema einen
Artikel geschrieben. Es geht um das persönliche Risikoprofil, welche Schwerpunkte man in seinem Training setzen sollte und welche Parameter im Training verwendet werden sollten.
Das findest du im Artikel zu Kreuzbandriss vermeiden
Hintergründe zum Kreuzbandriss
Verletzungen der Kreuzbänder, insbesondere des vorderen Kreuzbandes, gelten nach wie vor als eine der häufigsten Verletzungen im Sport (Myer et al. 2013). Die auf solch eine Verletzung folgenden Wochen/Monate sind in der Regel geprägt von langwieriger Rehabilitation. Auch eine Operation des Kniegelenkes zur Wiederherstellung des Kreuzbandes kann nötig werden. Sportler haben also mit langen Ausfallzeiten zu rechnen und können in einigen Fällen gar nicht mehr zu alter Leistungsfähigkeit zurückkehren. Gerade bei Kreuzbandrissen im Fußball stellt diese Tatsache Trainer und Spieler vor große Herausforderungen.
Umso wichtiger ist die Beantwortung der Frage, ob sich solch eine Verletzung der Kreuzbänder vermeiden lässt. Dieser Artikel soll einen kleinen Einblick in die Thematik geben, da die wenigsten wissen, was zu tun ist, um einer Verletzung der Kreuzbänder präventiv entgegenzutreten. Das Training mit einem gut ausgebildeten Trainer, Physiotherapeuten oder Athletiktrainer kann und soll er nicht ersetzen.
Funktion des Kreuzband im Kniegelenk
Die beiden Kreuzbänder befinden sich zentral im Kniegelenk und verbinden Ober- und Unterschenkel mi einander. Sie werden zur besseren Unterscheidung in vorderes Kreuzband (VKB)
und hinteres Kreuzband (HKB) eingeteilt. Diese Einteilung ist sinnvoll, da sie im Kniegelenk anatomisch teils unterschiedlich aufgebaut sind. Ihre wichtigste Funktion erfüllen
die Kreuzbänder (VKB und HKB) jedoch gemeinsam.
Zusammen mit der Muskulatur ist es die Hauptaufgabe der Kreuzbänder, die Stabilität der Kniegelenke unter Belastung aufrechtzuerhalten. Auch in der biomechanischen Feinsteuerung der Bewegungen
des Kniegelenkes übernehmen sie eine wichtige Funktion.
Ursachen für Kreuzbandverletzungen (z.B. Kreuzbandriss)
Ursächlich für eine Verletzung der Kreuzbänder ist oft ein schnelles „Verdrehen“ des Kniegelenks, verbunden mit einem Kollaps der Beinachse nach innen (medialer Kollaps). Oberschenkel und
Unterschenkel werden schnell gegeneinander verdreht, die Kreuzbänder werden dadurch umeinander verwickelt. Wird die Krafteinwirkung zu groß, reißen die Kreuzbänder (Kreuzbandriss) gemeinsam oder
einzeln auseinander.
Aufgrund der Stärke der auf das Knie einwirkenden Kräfte sind Begleitverletzungen keine Seltenheit. Eine Verletzung der Kreuzbänder tritt in der Regel dann auf, wenn hohe Geschwindigkeiten auf
starke Kraftbelastungen treffen (z. B. Springen, Landen, Richtungswechsel). Problematisch sind hier oft „High Impact“-Sportarten, also Sportarten mit hoher Belastung und schnellen
Richtungswechseln wie Tennis, Squash, Fußball, Rugby und Handball.
Kreuzbandrisse entstehen meist ohne Kontakt mit Gegenspieler
Hauptproblem bei High Impact Sportarten ist nicht (wie früher angenommen) der Kontakt mit einem Gegenspieler. So entstehen ca. 80 % der Kreuzbandrisse des vorderen Kreuzbandes ohne Gegnerkontakt, sondern die entstehenden hohen dynamischen Beschleunigungs- und Abbremskräfte unter Gewichtsbelastung (DeMorat et al. 2004, Spindler et al. 2005, Urabe et al. 2005).
Folgende Zahlen verdeutlichen, in welcher Geschwindigkeit sich ein Kreuzbandriss ereignet. Bewegungen können erst nach etwa 200 Millisekunden willentlich korrigiert werden. Die meisten
Kreuzbandverletzungen sind jedoch bereits nach 50 Millisekunden Bodenkontakt abgeschlossen (Krosshaug 2007, Olsen 2004).
Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Kontakt mit dem Gegner nicht das Hauptproblem darstellen kann; das Problem scheint eher im Spieler selbst zu liegen. An den genannten Zahlen wird ebenfalls deutlich, dass es wahrscheinlich nicht möglich ist, eine Verletzung der Kreuzbänder direkt, also im Augenblick der Verletzung, zu verhindern, dafür geht alles schlichtweg zu schnell.
Der Körper hat dennoch die Möglichkeit, auch solch schnellen Verletzungsmustern durch das „Vorausplanen“ von Bewegungen (Feedforward-Mechanismus) präventiv zu begegnen (Padua 2009, Diemer/Sutor 2013). Vergleichende Studien (Myer 2013, 2009, Donnelly 2012, Alentorn-Geli 2009, Hewett 2005, Zazulak 2005, Bangsbo J. 1994) haben ebenfalls ergeben, dass es bestimmte (beeinflussbare und nicht beeinflussbare) Risikofaktoren für eine Verletzung der Kreuzbänder gibt.
Risikofaktoren Kreuzbandriss: beeinflussbare & nicht beeinflussbare
Vergleichende Studien (Myer 2013, 2009, Donnelly 2012, Alentorn-Geli 2009, Hewett 2005, Zazulak 2005, Bangsbo J. 1994) konnten zeigen, dass es Risikofaktoren für eine Verletzung der Kreuzbänder gibt. Diese Risikofaktoren lassen sich in beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren aufteilen. Um einem Kreuzbandriss vorzubeugen, ist es sinnvoll, sich auf die beeinflussbaren Risikofaktoren zu konzentrieren.
Wie lässt sich die Stabilität des Kniegelenkes beurteilen?
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, um die Stabilität eines Kniegelenks zu beurteilen. Neben der manuellen Untersuchung durch einen Arzt oder Physiotherapeuten gehören Sprungtests, Reaktionstests, die Analyse der Beinachse und vieles mehr zum Handwerkszeug.
Basierend auf diesen Ergebnissen und der Analyse der Risikofaktoren lässt sich ein Programm erstellen, um gezielt an individuellen Defiziten zu arbeiten. Die Prävention einer Kreuzbandverletzung
bezieht sich also in erster Linie auf die Reduktion der individuell beeinflussbaren Risikofaktoren.
Präventives Training bei Kreuzbandriss
Um Kreuzbandrisse zu vermeiden, genauer gesagt das Verletzungsrisiko zu senken, ist eine Kombination aus Krafttraining und Koordinationstraining sinnvoll. Bei der Durchführung des Trainings zur Prävention von Kreuzbandrissen ist es sinnvoll, wenn der Physiotherapeut einige Parameter beachtet.
Parameter für Krafttraining, um Kreuzbandrisse zu vermeiden
Im Rahmen des Krafttrainings gilt es, die gesamte Muskulatur der unteren Extremität und des Rumpfes auf gute Kraftwerte aufzubauen. Das Kraftverhältnis der ischiocruralen Muskulatur im Vergleich zum Quadrizeps sollte am Ende bei über 55 % liegen (Södermann et al 2001). Eine schwache Muskulatur ist nicht in der Lage, ein Gelenk bei entsprechender Beanspruchung zu stabilisieren; die Belastung verschiebt sich auf die „passiven Strukturen“ (Sehnen, Menisken, Kreuzbänder). Das Risiko, diese zu verletzen, steigt deutlich an.
Parameter für Koordinationstraining, um Risiko für Kreuzbandrisse zu reduzieren
Koordinationstraining zur Prävention von Kreuzrissen unterteilt man in drei Schritte (Petersen et al. 2005):
1. Information des Sportlers:
- Dem Trainierenden wird erklärt, worauf er während des Trainings zu achten hat. Insbesondere die Beinachse im zweibeinigen, als auch einbeinigen Stand muss dem Sportler deutlich gemacht werden.
- Durch einfache Videoanalysen lassen sich Abweichungen des Sportlers anschaulich darstellen
2. Sportartspezifische Übungen im "Feedback"-Bereich
- Möglichst sportartspezifische Übungen in langsamer Geschwindigkeit durchführen. Dadurch hat der Sportler jederzeit die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren.
- Unter anderem Gehen oder Einbeinstand auf instabilen Unterlagen, Star Excursion Test (Filipa 2010, Plisky 2006/2009) etc.
- Trainiert werden hier vorwiegend Gleichgewicht und Haltung.
Parameter für Training der Feedbackkoordination (Diemer/Sutor 2011, 2006):
- nicht länger als 15 Sekunden pro Wiederholung durchführen,
- etwa 20–30 Wiederholungen, 2–3 Sätze, Geschwindigkeit 2 – 0 – 2,
- Satzpause etwa eine Minute
- Intensität, nicht ermüdend, da im koordinativen Bereich trainiert wird.
3. „Feedforward“-Übungen oder „antizipatorische Bewegungskontrolle“
- Training schneller, sportartspezifischer Bewegungen mit Körpergewicht.
- Hauptsächlich, das Sprungtraining ist hier besonders wichtig!
- Ein- und beidbeinige Sprünge in alle Richtungen (inklusive Rotationen) sind hier besonders wichtig!
- Eine Beurteilung der einzelnen Sprünge erfolgt dann jeweils auf Quantität (in der Regel Sprungweite) als auch auf Qualität (in der Regel Kontrolle der Beinachse bei Sprung und Landung).
Parameter Feedforward-Koordination (Diemer/Sutor 2008):
- 8-12 Sätze pro Einheit
- 10–12 Sprünge pro Satz
- Satzpause etwa eine Minute
- Intensität nicht ermüdend.
Welche Ergebnisse sind beim Präventionstraining Kreuzbandriss zu erwarten?
Durch ein so aufgebautes Trainingsprogramm gelang es Forschern, das Risiko für ein Auftreten solcher „Non-Contact-Verletzungen“ bei Frauen um 75–88 % zu senken (Mandelbaum et al. 2005). Diese
Ergebnisse werden jedoch nur erreicht, wenn das Training häufiger als ein Mal pro Woche über eine Dauer von mindestens sechs Wochen durchgeführt wird (Hewett, Ford und Myer 2006).
Im Profisport hat man das enorme Potenzial eines solchen Trainings bereits erkannt und entsprechend in die Trainingspläne integriert. Der Weltfußballverband FIFA hat bewusst ein eigenes Programm
zur Verletzungsprävention speziell für Fußballer entwickeln lassen.
Fazit: Kreuzbandriss vorbeugen ist möglich!
Ein präventives Training macht bei Sportarten mit Sprüngen, Landungen, hohen Kraftanforderungen und schnellen Richtungswechseln Sinn. Auch Joggen fällt unter diese Kategorie, da jeder Schritt sowohl einen kleinen Sprung als auch eine kleine Landung beinhaltet. Wer ein erhöhtes Risikoprofil aufweist, ist verletzungsgefährdet. Wer sein Verletzungsrisiko senken möchte, sollte unter Anleitung eines entsprechen ausgebildeten Trainers, Physiotherapeuten oder Athletiktrainer mit dem Training beginnen.
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Autor: Physiotherapeut in Heidelberg Dominik Klaes
Ich bin Dominik Klaes, Physiotherapeut, Krankengymnast, Personal Trainer und Gesundheitscoach in Heidelberg.
In meiner Praxis für Physiotherapie in Heidelberg, behandele ich Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparates (Gelenke, Muskeln,
Faszien, Bänder, Sehnen, Bandscheiben etc.). Dafür nutze ich mein Wissen aus der Physiotherapie, Krankengymnastik, dem Personal Training und dem Gesundheitscoaching.
Neben der Physiotherapie, Krankengymnastik, Manuelle Therapie und Personal
Training in Heidelberg betreue ich Wind- und Kitesurfer nach Verletzung oder bei Trainingsfragen in der Surfer-Sprechstunde (Online und Videotherapie) in ganz Deutschland.
Weitere Informationen zu meiner Person und mir gibt es unter dem Menüpunkt über mich.