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Surfers ear: droht Hörverlust für Windsurfer & Kitesurfer?

Verknöcherungen des Gehörganges beim Windsurfen & Kitesurfen

Physiotherapeut Dominik Klaes aus Heidelberg

Autor des Artikels:
Physiotherapeut Dominik Klaes behandelt PatientInnen mit Sportverletzungen (u.a. Windsurfer, Kitesurfer) in seiner Physiotherapiepraxis in Heidelberg und deutschlandweit per Videotherapie.

Dass die Kombination aus Wasser und Wind (z. B. beim Windsurfen oder Kitesurfen) das Risiko bei Wassersportlern für Verknöcherungen des äußeren Gehörganges erhöhen kann, ist nur wenigen bekannt. Dieses Phänomen wird auch häufig als Surfers Ohr oder „surfers-ear“ bezeichnet. Die Häufigkeit, in der diese Verknöcherungen auftreten, scheint unter den verschiedenen Sportarten des Surfens zu differieren. Als Physiotherapeut habe ich in meiner Privatpraxis für Physiotherapie in Heidelberg häufig Surfer mit diesen Beschwerden.

Eine Studie aus dem März 2021 untersuchte die Häufigkeit dieser Verknöcherungen des äußeren Gehörganges bei deutschen, nicht professionellen Wind und Kitesurfern an der Ostsee, die kaltem Wasser und starken Winden ausgesetzt waren. Um weitere Zusammenhänge untersuchen zu können, wurde auch die Expositionszeit (Zeit auf dem Wasser), die Häufigkeit der Aktivität sowie die Schwere der Verknöcherungen erfasst (Wegener, Wegner & Weiss, 2021).

Anhand dieser Studie gebe ich einen Einblick in das Thema und zeige auf, was Windsurfer und Kitesurfer selbst unternehmen können, um Probleme mit dem Gehörgang zu vermeiden.

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Das erwartet dich als Windsurfer und Kitesurfer im Artikel

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Was genau ist ein surfers ear?

Die Bezeichnung surfers ear beschreibt eine Verknöcherung des äußeren Gehörganges im Ohr. Verknöcherungen des äußeren Gehörganges treten in der nicht surfenden Bevölkerung meist beidseitig auf, sind i.R. gering ausgeprägt und symptomlos. Etwa 3–6 % der Gesamtpopulation sind von diesen unproblematischen Verknöcherungen betroffen. Bereits in der Vergangenheit wurde eine Häufung von Verknöcherungen des äußeren Gehörganges bei Surfern festgestellt. Bereits 1977 wurde deshalb der Begriff des „surfers ear“ geprägt (Seftel, 1977, S. 58–60), um dieses Phänomen zu beschreiben.

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Entstehung des surfers ear bei Windsurfen und Kitesurfen

Eine Verengung des äußeren Gehörganges (siehe roter Kreis) kann bei entsprechender Ausprägung zur Einschränkung des Hörens, wiederkehrenden Entzündungen des Gehörganges oder Tinnitus führen (DiBartolomeo, 1979). Bei fortgeschrittener Verengung des Gehörganges kann eine Operation des Ohres nötig werden. Als wahrscheinlichste Ursache für die Verengung, wird ein als Reaktion auf kaltes Wasser auftretendes, wiederholtes eng- und weit stellen der Gefäße des äußeren Gehörganges diskutiert. Dieses wiederholte Zusammenziehen des Gehörganges kann zu einer erhöhten Durchblutung dieses Bereiches führen.

 

Diese erhöhte Stoffwechselaktivität wiederum könnte für die gesteigerte Verknöcherung des äußeren Gehörganges bei Wassersportlern verantwortlich sein (Harrison, 1962, S. 187–201).

Surfers Ear und Windsurfen, Kitesurfen, Physiotherapie, Prävention
Entstehungsbereich der Verknöcherung des Gehörganges beim surfers ear (roter Kreis)
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Welche Beschwerden macht ein surfers ear?

Die Beschwerden eines surfers ear werden durch die Verknöcherung des Gehörganges verursacht. Betroffene erleiden häufig auftretende, schmerzhafte Entzündungen des äußeren Ohres oder Gehörganges. Durch die Verengung des Gehörganges ist die Selbstreinigung des Ohres gestört. Es sammelt sich häufiger Ohrenschmalz bis zur Propfenbildung, das Ohr von Schmutz oder Wasser zu befreien, kann erschwert sein.

Teilweise wird das Ohr als verstopft wahrgenommen. Es können Veränderungen des Hörens wie Schwerhörigkeit, Hörverlust oder Tinitus auftreten. Häufig bleibt die Verknöcherung des Ohres über sehr lange Zeit jedoch weitestgehend symptomfrei und somit unbemerkt.

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Wie häufig sind Windsurfer und Kitesurfer vom Surferohr betroffen?

In der im März 2021 durchgeführten Studie wurden 241 Ohren von 130 Teilnehmern untersucht. Die Häufigkeit einer Verknöcherung des äußeren Gehörganges lag mit 75,1 % der Teilnehmer bei einem hohen Wert. Bei 19,9 % der Betroffenen wurden bereits starke Verknöcherungen des äußeren Gehörganges gefunden.

Demgegenüber wird die Häufigkeit von Verknöcherungen des Gehörganges in der nicht surfenden Durchschnittsbevölkerung mit 3–6 % angegeben. Es ist also eine deutliche Häufung bei Surfern zu beobachten.

Studie zu Surfers Ear bei Windsurfern und Kitesurfern an der Deutschen Nordseeküste
Studie zu Surfers Ear bei Windsurfern und Kitesurfern an der Deutschen Nordseeküste
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Git es einen Zusammenhang zwischen Schweregrad und Zeit auf dem Wasser?

Die Expositionszeit und die Häufigkeit der Aktivität hatten einen signifikanten Einfluss auf den Schweregrad der Verknöcherungen. Im Vergleich zu den Surfern waren Wind und Kitesurfer stärker betroffen. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verknöcherungen des äußeren Gehörganges bei Wind und Kitesurfer sehr hoch ist, höher noch als bei Surfern (Wellenreiten).

Weiterhin wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Expositionszeit und der Schwere der Verknöcherung gefunden. Hier zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Aktivität in Tagen pro Woche sowie in Stunden pro Session. Je mehr Zeit auf dem Wasser verbracht wird, desto höher ist das Risiko, ein surfers ear zu entwickeln. Windsurfer und Kitesurfer sind hiervon gleichermaßen betroffen. (Wegener et al., 2021).

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Wie lässt sich ein surfers ear beim Windsurfen oder Kitesurfen vermeiden?

Der Grund für das Auftreten des Surfers Ear scheint die Kombination aus kaltem Wasser und Wind zu sein. Ziel der Präventionsstrategie sollte es also sein, das Ohr, genauer gesagt den Gehörgang vor dem Eindringen von kaltem Wasser sowie vor Wind zu schützen. Da die Surfer in den Untersuchungen weniger betroffen waren als die Wind- oder Kitesurfer, könnte es für die „Windsportler“ besonders wichtig sein, das Eindringen von Wind in den Gehörgang zu unterbinden.

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Prävention durch Ohrstöpsel, Stirnbänder oder Helme mit Ohrabdeckung

Um den Gehörgang beim Surfen, Windsurfen oder Kitesurfen zu schützen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es sind verschiedene Ohrstöpsel erhältlich, die das Ohr ähnlich wie In-Ear Kopfhörer oder Oropax gegen eindringendes Wasser und Wind abschotten. Einige Möglichkeiten finden sich unten in der Liste (Markennennung ohne Bezahlung, keine Werbung).

 

Weitere Möglichkeiten sind das Tragen eines Neopren Stirnbandes oder eines Helmes mit Ohrpolstern. Es werden auch verschiedene Öle oder Sprays angeboten, deren Wirksamkeit teils fraglich ist. Im Zweifel sollte man sich bei bestehenden Problemen von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Taucherarzt untersuchen und beraten lassen.

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Therapiemöglichkeiten des surfers ear mit und ohne Operation

Das surfers ear bleibt häufig sehr lange unentdeckt, die Beschwerden zeigen sich teils erst später im Verlauf bei fortgeschrittener Verknöcherung. Wird die Verkleinerung des Gehörganges frühzeitig entdeckt, kann ein Fortschreiten der Verknöcherung durch präventive Maßnahmen (siehe oben) aufgehalten werden. Ist die Verknöcherung des Gehörganges bereits zu stark fortgeschritten, hilft häufig nur noch die operative Entfernung des verknöcherten Materials.

Durch die operative Entfernung wird der normale Durchmesser des Gehörganges wiederhergestellt. Um ein erneutes Auftreten der Verknöcherung nach einer Operation zu vermeiden, sollten präventive Maßnahmen (schützen des Ohres gegen Wind- und Wasser) ergriffen werden. Eine nicht operative Methode, um die bereits bestehenden Verknöcherungen des Gehörganges rückgängig zu machen, ist aktuell nicht bekannt.

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Fazit: surfers ear ist bei Kite- & Windsurfern häufig, Prävention ist möglich

Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass Windsurfer und Kitesurfer von der Gefahr eines surfers ear überdurchschnittlich stark betroffen sind. Es scheint sinnvoll, sich mit dem Thema zu beschäftigen und präventive Maßnahmen zu ergreifen und die eigenen Ohren vor Wind und kaltem Wasser zu schützen.

Da die Therapie in der Regel aus einer Operation des Ohres besteht und es keine Therapie ohne Operation gibt, sollte man die Prävention zusätzlich ernst nehmen.

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Autor: Dominik Klaes, Physiotherapeut für Kitesurfer & Windsurfer

Dominik Klaes Physiotherapeut, Krankengymnast, Personal Trainer aus Heidelberg
Physiotherapeut Dominik Klaes

Ich bin Dominik Klaes, Physiotherapeut, Krankengymnast, Personal Trainer und Gesundheitscoach in Heidelberg.

In meiner Praxis für Physiotherapie in Heidelberg, behandele ich Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparates (Gelenke, Muskeln, Faszien, Bänder, Sehnen, Bandscheiben etc.). Dafür nutze ich mein Wissen aus der Physiotherapie, Krankengymnastik, dem Personal Training und dem Gesundheitscoaching.

 

Neben der Physiotherapie, Krankengymnastik, Manuelle Therapie und Personal Training in Heidelberg betreue ich Wind- und Kitesurfer nach Verletzung oder bei Trainingsfragen in der Surfer-Sprechstunde (Online und Videotherapie) in ganz Deutschland.

Weitere Informationen zu meiner Person und mir gibt es unter dem Menüpunkt über mich.

Quellen für Artikel surfers ear bei Windsurfen und Kitesurfen:

Beschriebene Studie im Volltext:

Wegener, F., Wegner, M. & Weiss, N. M. (2021).

External auditory exostoses in wind-dependent water sports participants: German wind- and kitesurfers.

European Archives of Oto-Rhino-Laryngology, (0123456789).
Springer Berlin Heidelberg.

doi:10.1007/s00405-021-06939-7

 

Weitere Quellen:

DiBartolomeo, J. R. (1979).

Exostoses of the External Auditory Canal. Annals of Otology, Rhinology & Laryngology, 88 (6_suppl), 2–20.

doi:10.1177/00034894790880S601

 

Harrison, D. F. (1962). The relationship of osteomata of the external auditory meatus to swimming.

Annals of the Royal College of Surgeons of England, 31, 187–201.

PMID 13904891

 

Seftel, D. M. (1977).

Ear Canal Hyperostosis—Surfer’s Ear: An Improved Surgical Technique.

Archives of Otolaryngology, 103 (1) 58–60.

doi:10.1001/archotol.1977.00780180096015