Windsurfer vs. Kitesurfer: wer verletzt sich häufiger und wie?
Autor des Artikels:
Physiotherapeut Dominik Klaes behandelt PatientInnen mit Sportverletzungen (u.a. Windsurfer, Kitesurfer) in seiner Physiotherapiepraxis in Heidelberg und deutschlandweit per Videotherapie.
Der Sport des Windsurfen oder Kitesurfen bringt leider Verletzungen mit sich. Als Physiotherapeut betreue ich Windsurfer und Kitesurfer nach Verletzungen in meiner Praxis für Physiotherapie in Heidelberg. Personen, die Windsurfen oder Kitesurfen stellen sich nach der Therapie die Frage, ob sich Verletzungen zukünftig vermeiden lassen. Auch die Frage, welcher Sport (Windsurfen vs. Kitesurfen) die höhere Verletzungshäufigkeit mit sich bringt, ist für viele Surfer interessant.
Da ich als Physiotherapeut in Heidelberg sowie deutschlandweit mit Surfern arbeite, beschäftige ich mich mit den Antworten auf diese Fragen und bin auf eine Studie aus den Niederlanden gestoßen. Die an der niederländischen Nordseeküste durchgeführte Studie zeigte eine signifikant geringere Verletzungshäufigkeit bei Windsurfern gegenüber Kitesurfern.
Einige der Erkenntnisse sind sowohl für Windsurfer als auch für Kitesurfer relevant. Damit du deine Verletzungshäufigkeit senken kannst, habe ich die Untersuchung für dich verständlich aufbereitet.
Das erwartet dich als Windsurfer und Kitesurfer im Artikel
- Basisdaten der Studie zu Windsurfern & Kitesurfern
- Wie häufig verletzen sich Windsurfer & Kitesurfer?
- Mit welchen Verletzungen ist beim Windsurfen & Kitesurfen zu rechnen?
- Welche Rolle spielt Erfahrung und Können des Windsurfers oder Kitesurfers?
- Welche Ursachen für Verletzungen beim Windsurfen & Kitesurfen gibt es?
- Wie schwer sind die Verletzungen und welche Regionen sind betroffen?
- Wie lässt sich die Verletzungshäufigkeit beim Windsurfen & Kitesurfen reduzieren?
Basisdaten der Studie und Teilnehmenden Windsurfern und Kitesurfern
In den Jahren 2009 bis 2011 wurden alle Patienten, die mit Verletzungen durch Windsurfen oder Kitesurfen in das ortsansässige Krankenhaus eingeliefert wurden, in die Studie eingeschlossen. So konnten 57 Teilnehmer (25 Windsurfer und 32 Kitesurfer) in die Studie eingeschlossen werden. Neben den Informationen zur Verletzung (Art- und Schwere der Verletzung), mussten sich die Teilnehmer anhand fester Kriterien einer Leistungsstufe zuordnen (Anfänger, Fortgeschritten, Erfahren, Experte).
Neben der Surferfahrung in Jahren sowie der Surfzeit in Stunden pro Jahr wurde die Windgeschwindigkeit zum Zeitpunkt der Verletzung sowie der Einsatz von Schutzausrüstung abgefragt.
Die Gruppe der Kitesurfer wurde separat dazu befragt, ob Sie ein Quick-Release System benutzt hatten. Weiterhin wurde erfasst, wie lange die Studienteilnehmer benötigten, um nach ihrer Verletzung wieder zum Surfsport zurückzukehren und ob es im Zeitraum der Studie weitere Verletzungen gab. Auch ob anhaltende Verletzungsfolgen verblieben sind, wurde erfasst.
Windsurfer und Kitesurfer: Unterschiede der Gruppen
In der Analyse der Basisfaktoren zeigten sich Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Gruppe der Windsurfer hatte ein höheres Leistungslevel sowie mehr Erfahrung. In der Nutzung von Schutzausrüstung unterschieden sich die Gruppen ebenfalls. So nutzten 17% der Windsurfer und 28% der Kitesurfer Schutzausrüstung wie Helme oder Prallschutzwesten. In der Gruppe der Kitesurfer nutzten 92% ein Quick Release System, dieses wurde von 13% im Zuge ihrer Verletzung ausgelöst.
Verletzungshäufigkeit der Windsurfer und Kitesurfer im Vergleich
Die Verletzungshäufigkeit beim Windsurfen lag bei 5.2 Verletzungen pro 1000 Surfstunden (32 Verletzungen bei insgesamt 6146 Surfstunden). Die Verletzungshäufigkeit beim Kitesurfen lag bei 7.0 Verletzungen bei 1000 Stunden Kitesurfen (49 Verletzungen bei insgesamt 6978 Surfstunden). Die Verletzungshäufigkeit der Kitesurfer war in dieser Untersuchung signifikant (P= 0.005) höher als bei den Windsurfern.
Ursachen für Verletzungen bei Windsurfen und Kitesurfen
In der Gruppe der Windsurfer traten die meisten Verletzungen im Zusammenhang mit fortgeschrittenen Manövern wie forward oder back loop (Salto ähnliche vorwärts- bzw. Rückwärtsdrehung im Sprung) auf. In der Gruppe der Kitesurfer wurden die meisten Verletzungen durch Sprünge in großer Höhe oder Windböen ausgelöst. Zusätzlich wurden viele Verletzungen der Kitesurfer durch mangelhafte Kontrolle des Surfmaterials (Board oder Kite) verursacht. Knapp 42% der Verletzungen bei Kitesurfern entstanden am Strand. Hierbei scheinen v.a. Start- und Landung des Kite großes Unfallpotential zu bieten. Zusammenstöße zwischen Kite- und Windsurfern waren selten und spielten als Verletzungsursache kaum eine Rolle.
Art und Schweregrad der Surfverletzungen bei Windsurfern und Kitesurfern
Insgesamt waren sowohl bei Windsurfern als auch Kitesurfern die unteren Extremitäten am häufigsten von Verletzungen betroffen, gefolgt von Kopf, Halswirbelsäule sowie den oberen Extremitäten und dem Rumpf. Die meisten der erlittenen Verletzungen wurden in beiden Gruppen als eher leichte Verletzungen eingestuft. Häufige leichte Verletzungen waren Prellungen, Risswunden und Verstauchungen der Knöchel.
Unter den schwereren Verletzungen fanden sich in der Gruppe der Windsurfer unter anderem Brüche des Schienbeinkopfes sowie der Handwurzel. In der Gruppe der Kitesurfer kam es zu Brüchen der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, des Ellenbogen, der Handwurzel, des Schienbeinkopfes und der Ferse.
Der Schweregrad der Verletzung stand laut den Autoren nicht im Zusammenhang mit Alter, Können oder der Verwendung von Schutzausrüstung. Die Unfälle im Kitesurfen ereigneten sich im Vergleich zum Windsurfen öfter am Strand (6% Windsurfern, 42% Kitesurfen).
Verletzungen vermeiden bei Windsurfen und Kitesurfen
Möglichkeiten zur Verletzungsprävention für Windsurfer
Obwohl vorgestellte Studie nicht das Thema Verletzungsprävention behandelt, gibt sie Hinweise dazu. Die Autoren verweisen auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2006 (Dyson, 2006). Diese kommt zu dem Ergebnis, dass die Muskulatur des unteren Rückens bei Windsurfern häufig von Verletzungen betroffen ist. Zur Prävention wird eine Kombination aus Training der Muskulatur sowie einem Aufwärmprogramm vor dem Windsurfen empfohlen.
Weiterhin wird in der Studie deutlich, dass insbesondere fortgeschrittene Manöver im Windsurfen mit Überschlägen, genauer gesagt dem Springen in der Welle, mit einem höheren Verletzungsrisiko verbunden sind. Wer als Windsurfer oder Windsurferin sein Verletzungsrisiko gering halten möchte, sollte evtl. auf diese Manöver verzichten.
Möglichkeiten zur Verletzungsprävention für Kitesurfer
Um das Verletzungsrisiko für Kitesurfer zu reduzieren, bieten sich mehrere Rückschlüsse an. Da sich ein Großteil der Verletzungen bei Start- und Landung des Kite am Strand ereigneten, sollte man
sich als Kitesurfer das besondere Risiko dieser Situation bewusst machen. Viele der Patienten in meiner Privatpraxis für
Physiotherapie in Heidelberg haben sich in genau dieser Situation verletzt.
Insbesondere bei der Wahl der geeigneten Schirmgröße sollte die Kontrollierbarkeit an erster Stelle stehen. Dass sich Windbedingungen innerhalb von Sekunden verändern können (Böen, Zunahme Wind,
etc.) sollte unbedingt berücksichtigt werden. Das sichere Beherrschen von Start- und Landung des Kite sollte für jeden Kitesurfer das erste und oberste Ziel sein, um Verletzungen zu
vermeiden.
Weiterhin könnte es sinnvoll sein, das Auslösen des Quick Release beim Kitesurfen explizit zu üben. So könnte in gefährlichen Situationen schnell und effektiv gehandelt und Verletzungen vermieden
werden.
Fazit: Windsurfer verletzen sich seltener, Prävention ist möglich
Insgesamt scheint die Verletzungshäufigkeit in der Gruppe der Kitesurfer signifikant größer zu sein, als bei den Windsurfern. Ob ein höheres Erfahrungs- und Leistungslevel vor Verletzungen schützt, scheint fraglich. In der Gruppe der Windsurfer scheinen Verletzungen mit ansteigendem Leistungslevel eher zuzunehmen. Ein Teil der Faktoren, die Verletzungen begünstigen, scheinen sich beeinflussen zu lassen.
Für Windsurfer ist ein guter körperlicher Trainingszustand, insbesondere im Bereich des unteren Rückens empfehlenswert. Kitesurfer sollten großen Wert auf einen sicheren Start und Landung legen, um Verletzungen zu vermeiden. Grundsätzlich sollte sowohl von Kitesurfern als auch von Windsurfern häufiger Schutzausrüstung getragen werden. Von einem Aufwärmprogramm vor dem Surfen könnten Windsurfer und Kitesurfer profitieren.
Insgesamt zeigten sich in dieser Studie für beide Sportarten niedrige Verletzungsraten (Windsurfer 5.2, Kitesurfer 7.0 Verletzungen bei 1000 Surfstunden). Im Vergleich zu den Verletzungsraten anderer Sportarten (Fußball 19 Verletzungen pro 1000 Spielstunden) scheinen teils vorgenommene Einstufungen des Windsurfen und Kitesurfen als Extremsportarten mehr als fraglich.
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Autor: Dominik Klaes, Physiotherapeut für Wave-, Kite-, Windsurfer
Ich bin Dominik Klaes, Physiotherapeut, Krankengymnast, Personal Trainer und Gesundheitscoach in Heidelberg.
In meiner Praxis für Physiotherapie in Heidelberg, behandele ich Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparates (Gelenke, Muskeln,
Faszien, Bänder, Sehnen, Bandscheiben etc.). Dafür nutze ich mein Wissen aus der Physiotherapie, Krankengymnastik, dem Personal Training und dem Gesundheitscoaching.
Neben der Physiotherapie, Krankengymnastik, Manuelle Therapie und Personal
Training in Heidelberg betreue ich Wind- und Kitesurfer nach Verletzung oder bei Trainingsfragen in der Surfer-Sprechstunde (Online und Videotherapie) in ganz Deutschland.
Weitere Informationen zu meiner Person und mir gibt es unter dem Menüpunkt über mich.
Quellen für Artikel Verletzungen Windsurfen vs. Kitesurfen:
Beschriebene Studie im Volltext:
van Bergen CJ, Commandeur JP, Weber RI, Haverkamp D, Breederveld RS. Windsurfing vs kitesurfing: Injuries at the North Sea over a 2-year
period. World J Orthop. 2016;7(12):814-820. Published 2016 Dec 18. doi:10.5312/wjo.v7.i12.814
Weitere Quellen:
Dyson, R. (2006). Incidence of sports injuries in elite competitive and recreational windsurfers. British Journal of Sports Medicine, 40 (4), 346–350.
doi:10.1136/bjsm.2005.023077
McCormick, D. P. & Davis, A. L. (1988). Injuries in sailboard enthusiasts. British Journal of Sports Medicine, 22 (3), 95–97.
doi:10.1136/bjsm.22.3.95
Neville, V. & Folland, J. P. (2009). The Epidemiology and Aetiology of Injuries in Sailing. Sports Medicine, 39 (2), 129–145.
doi:10.2165/00007256-200939020-00003
Nielsen, A. B. & Yde, J. (1989). Epidemiology and traumatology of injuries in soccer. The American Journal of Sports Medicine, 17 (6), 803–807.
doi:10.1177/036354658901700614
Pikora, T. J., Braham, R. & Mills, C. (2012). The Epidemiology of Injury among Surfers, Kite Surfers and Personal Watercraft Riders: Wind and Waves. Medicine and Sport Science (Band 58, S. 80–97). doi:10.1159/000338583